Big Data: Die Potentiale von Daten verstehen, Projekte daraus verwirklichen und seine Daten entfalten.

ElitePartner, Neu.de und Parship: Hierzulande werden Dating-Portale gerade von junger wilder amerikanischer Konkurrenz überrollt. Was die kann, zeigen Hacker wie Chris McKinlay oder der aktuelle Marktwert von Tinder. Diese neue App mit dem Prinzip “Hot Or Not” ist angeblich 500 Millionen US-Dollar wert, bei 35 Mitarbeitern. Definitiv hot! Der emotionale Wert dieser Big-Dating-Konzepte ist da schon schwerer zu bestimmen. Chris McKinlay ist dem auf den Grund gegangen und hat OKCupid gehackt – auf der Suche nach seiner großen Liebe.

Der erste Blick zeigt auch bei OKCupid ganz herkömmliche Nutzerprofile. Die bieten aber nur einen kleinen Teil der vom Nutzer hinterlegten Informationen. Im Hintergrund matcht der Computer die Mitglieder auf der Basis von hunderten freiwilliger Antworten auf “Schlüsselfragen”.

Big Data ermöglicht Big Dating

  • „Do you like horror movies?“
  • „Have you ever travelled around another country alone?“
  • „Wouldn’t it be fun to chuck it all and go live on a sailboat?“

Wenn zwei Nutzer auf diese Fragen die gleichen Antworten geben, ist die Chance auf eine zukünftige Partnerschaft am höchsten. 

Der Blog des Unternehmens enthüllt bizarre Einsichten in Vorlieben und Selbstverständnis der Menschen. Bei Frauen wird ein signifikanter Zusammenhang von Fitnesstraining mit Orgasmushäufigkeit festgestellt – mehr Training macht mehr Orgasmen, oder umgekehrt. Anderes Beispiel: vegetarische Ernährung und Bereitschaft zum Oralsex scheinen miteinander zu korrelieren. Ebenfalls vielsagend: Ein hohes pro-Kopf Einkommen und ein freizügiges Liebesleben gehen häufig miteinander einher. Die Statistiker der Liebe haben ein spannendes Feld beackert. Übrigens: je kontroverser die Frauen bei den Männern ankommen, umso mehr Verehrer können sie auf sich vereinen. Big Data-Analysen hatten hier ermöglicht, pro Fragestellung hunderttausende Antworten und Metadaten auszuwerten. Dass einem selbst das aber nicht hilft, wenn der potentielle Partner nicht ebenfalls die richtigen Fragen im OKCupid-System beantwortet hat, hat den Mathematiker McKinley zur größtmöglichen Professionalisierung getrieben.

Nachts lag der Analyst auf einer Minimatratze im Büro und hat den Großrechner der Uni das Portal auslesen lassen. Seine zwölf Profile schauten sich tausende von Frauen an, beantworteten randomisiert – also zufällig und breit gestreut – alle Fragen des Katalogs und analysierten, wie dies die Trefferwahrscheinlichkeit für Übereinstimmungen, Interessen etc. beeinflusste. Die Algorithmen gaukelten den Sicherheitsschranken des Systems vor, authentische Nutzer mit einer scheinbar schlaflosen Nacht zu sein. McKinlay konnte so Cluster identifizieren, also Frauentypen, die besonders viele Eigenschaften und Wünsche teilen. Optimale Zielgruppen sozusagen. Von den gefundenen interessierte er sich jedoch nur für zwei. Für diese erstellte der Hacker das jeweils optimale Profil mit Antwortenkatalog. Er log dabei angeblich nicht, betonte und gewichtete seine Antworten aber auf der Basis seiner Analyse. Ein Nutzerkonto zeigte ein Foto von ihm beim Klettern. Das andere beim Gitarrespielen. Die Zielgruppenanalyse empfahl es so.

80 Dates folgten, trotz enormer Übereinstimmungszahlen waren die Begegnungen jedoch ernüchternd.

Erst nach vielen Anläufen fand er eine Frau bei 91% Übereinstimmung, mit der er Kontakt hielt und der er, wie wired.com berichtet, einen Antrag machte. 

Das System zeigt: die Masse an Daten, die das Portal zur Verfügung hat, bieten tiefere und robustere statistische Einblicke in die menschliche Psyche als jede Volkszählung. Es entstehen enorme Datenmengen, die den Administratoren auch klar zeigen, ob die eigenen Angaben wirklich das widerspiegeln, was das eigene Suchverhalten auf den Dating-Seiten enthüllt. Amazon sagt: “Kunden, die dieses Buch kauften, interessieren sich auch für XY”. OKCupid ist schon heute in der Lage, ähnliche Aussagen über Menschen zu treffen. Die Macher wissen schon heute: Männer lügen meist bei Alter, Größe und Einkommen – Frauen bei Alter, Gewicht und Figur.

Die Selbsteinschätzung der Menschen ist miserabel. In Zukunft wird die Einbettung von Facebook-Likes, dem Nutzungsverhalten von Spotify und Streaming-Diensten wie Netflix womöglich direkt Auskunft darüber geben, welche Präferenzen man wirklich hat. Die wenigsten jedenfalls treten als die Schlagerliebhaber auf, die sie sind. Beobachtungen sind die Zukunft, Selbstauskünfte kaum relevant. Und zum übernächsten Schritt wird schon angesetzt. Die App Hinge durchforstet die eigenen Facebook-Kontakte bis zum dritten Grad: Freunde von Freunden von Freunden. Sie schlägt potentielle Partner vor und wie man sie kennenlernen kann. Damit soll eine größere Authentizität, Sicherheit und Motivation erreicht werden. Wer gemeinsame Bekannte hat, ist ehrlicher und motivierter.

Schließlich aber müssen auch weiterhin Eigeninitiative und echte Zuneigung da sein, um aus einem Match eine andauernde Begegnung zu machen. Ob der Gedanke, schon den mathematisch perfekten Partner gefunden zu haben, eine ähnliche Bindungskraft entfalten kann, wie eine zufällig-überraschende Begegnung? Ob die Dynamik eines Abendessens ohne vorherigen Abgleich schlechter sein muss? Angesichts der enormen Partner-Auswahl im Netz und einem nie abreißenden Strom neuer Kontakte sind neue Probleme und Hoffnungen entstanden.

Wird Online-Dating dank Big Data zum zuverlässigen Zulieferer neuer Lebensabschnittspartner?

Die vielen in Liebesdingen bemühten Start-ups wollen genau das unter Beweis stellen. Und sie sind sich des Wertes ihrer Daten bewusst – es wird so viel gesammelt wie möglich. Andererseits sind manche auch feinfühlig im Geschäft. Sie geben Garantien ab. Klare Absagen an Datenverkäufe und Initiativen gegen poröse Privatsphäre. Sie glauben: Das wird im neuen System das zentrale Argument für Kundenbindung sein. Denn wenn eine App wie Tinder in Deutschlang ohne Werbung in wenigen Monaten rund eine Million regelmäßiger Nutzer hat, die ihre Facebook-Daten für das Dating öffnen, dann steht Big Dating eine spannende Zukunft und stehen vielen von uns interessante Begegnungen bevor.

Hier noch Daten, die von der Berkeley University dankenswerterweise zusammengefasst wurden.

Big Dating Infografik, Quelle: Berkeley Datascience

Big Dating Infografik, Quelle: Berkeley Datascience