Big Data: Die Potentiale von Daten verstehen, Projekte daraus verwirklichen und seine Daten entfalten.

In Deutschland und insbesondere in der Hauptstadt des Bieres in München ist die Sache mit dem Bier eigentlich klar: Nichts geht hier über das Reinheitsgebot. In Belgien, Schweden oder den USA sind die Brauereien sehr viel experimentierfreudiger und zumindest in Wettbewerben um das beste Bier des Jahres gibt ihnen der Erfolg recht. Die meisten der ausgezeichneten Biere kommen aus diesen Ländern und oft handelt es sich um kleine Mikro-Brauereien, die sich auf eine Marktnische spezialisiert haben.

Der Brauprozess ist sehr komplex und durch die Auswertung von Sensordaten und mit der Hilfe von Algorithmen kann der Biergenuss heute verbessert werden. Um das perfekte Bier zu brauen, setzt beispielsweise eine Brauerei aus Portland, Deschutes Brewery, auf Big Data. Ihr Business-Plan sieht vor, pro Jahr verschiedene neue Sorten auf den Mark zu bringen und gleichzeitig die Qualität auf einem konstant hohen Niveau zu halten – und das zum Teil auch bei kleineren Produktionsmengen. Insbesondere für eine kleine Brauerei ist dies ein schwierig zu erreichendes Ziel, das aber dank Predictive Analytics erreicht werden kann.

Mit Sensordaten und Datenmodellen zum perfekten Bier

Der Brauprozess wird in etliche unterschiedliche Phasen eingeteilt: Mälzen, Schroten, Maischen, Läutern, Würzekochen, Hopfengabe, Würzeklärung, Würzekühlung, Gärung, Reifung, Filtrieren und schließlich die Abfüllung. Jede dieser einzelnen Phasen hat Auswirkungen auf das Endergebnis – darüber hinaus können auch verschiedene Hopfen- oder Gerstesorten eine charakteristische Note hinterlassen. Jedoch haben insbesondere die Vorgänge, bei denen der angesetzte Sud erhitzt und abgekühlt wird, einen entscheidenden Einfluss auf den Geschmack und die Qualität des Bieres.

Mit Sensoren lassen sich die Übergänge zwischen den Vorgängen des Befüllen des Tanks und der Fermentation, der Zugabe der Hefe sowie zwischen dem Abkühlen und dem Reifungungsprozess überwachen. Sie zeichnen dabei zahlreiche Werte wie Temperatur, Druck oder PH-Werte auf. Zunächst werden die Algorithmen mit Testdaten gefüttert, damit sie nach und nach genaue Vorhersagen über die Entwicklung des Brauprozesses machen können. Wenn erst mal ein Modell für den Übergang zwischen zwei Phasen erstellt ist, lassen sich die Erkenntnisse auf andere Prozesse übertragen. Das Ziel ist es, den gesamten Brauprozess einerseits so effizient wie möglich zu machen, um die Kapazitäten der Anlagen voll auszuschöpfen. Andererseits können die Predictive-Analytics-Algorithmen die Qualität des Bieres immer gleich hoch und das Geschmackserlebnis konstant gehalten werden. Da chemische Prozesse nicht immer exakt gleich ablaufen, ist diese Form des Smarten Bierbrauens, das auf Echtzeitanalysen basiert, gegenüber herkömmlichen Methoden im Vorteil.

Der Braumeister Brian Faivre von Deschutes Brewery setzt auf Big Data: Neben chemischen Prozessen sind nun auch technische Prozesse fehleranfällig.

 

AI bringt Bierbrauer und Kunden zusammen: Gelebte Kundenzentrierung

Neben dem Fokus auf den Brauprozess mit Big Data, lassen sich Algorithmen auch dazu verwenden, um Bier dem Geschmack der Kunden anzupassen. Kunden können heute via Smartphone den Unternehmen eine direktes Feedback geben, ob sie mit dem gekauften Produkt zufrieden sind. Ein britischer Bierbrauer macht sich diese Informationen zunutze und passt mithilfe Künstlicher Intelligenz (AI) den Geschmack seines Biers den Wünschen der Kunden an. Gleichzeitig versucht er durch das Feedback die Qualität seines Erzeugnisses permanent zu verbessern:

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Durch das Einscannen eines individuellen Codes auf den Etiketten kann ein AI-Bot die Bewertungen der Kunden exakt zuordnen und auswerten.

AI und Mashine Learning lassen Kunden direkt mit Brauereien kommunizieren mit einem gemeinsamen Ziel: Besseres Bier

Nicht nur der Brauprozess kann mit Hilfe von Datenauswertungen verbessert werden

Der Genuss eines Bieres hängt auch vom richtigen Zeitpunkt des Öffnens der Flasche und der perfekten Trinktemperatur ab. Auch hier können Algorithmen helfen: Ab welchem Zeitpunkt verliert ein abgefülltes Bier den charakteristischen Geschmack, für den man es gekauft hat? Dieser Zeitpunkt lässt sich exakt messen und beispielsweise auf dem Etikett angeben. Auch die perfekte Lager- und Trinktemperatur lassen sich so ermitteln und kommunizieren. Vorreiter ist auch hier die Deschutes Brewerey, die nicht mehr das Haltbarkeitsdatum ihrer Biere auf dem Etikett angibt, sondern auch exakt den Zeitpunkt bestimmen kann, ab dem bestimmte Geschmackskomponenten nicht mehr zu schmecken sind.

Solche Vorteile lassen sich nicht nur bei Getränken wie Bier nutzen, sondern auch bei Whiskey. Jede Flasche der Marke Johnnie Walker ist heute ein Teil des Internet der Dinge. Für das Unternehmen ergeben sich daraus eine ganze Reihe von Vorteilen – so kann beispielsweise die gesamte Lieferkette überwacht und auf diese Weise der Diebstahl von Waren minimiert werden. Aber auch für den Kunden selbst ergeben sich Vorteile: Er erhält einen genauen Überblick über die Historie der Lagerung jeder einzelnen Flasche. So kann sichergestellt werden, dass beispielsweise die Lagertemperatur immer optimal war.

Die Digitalisierung aller Lebensbereiche macht auch vor dem Reinheitsgebot nicht halt

Der Kontrast könnte größer kaum sein: Auf der einen Seite das Reinheitsgebot und alte Kellergewölbe, in denen Fässer mit Bier, Wein oder Whisky lagern und auf der anderen Seite Sensoren, Algorithmen und Big Data. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche kennt kaum Grenzen und bringt zahlreiche Vorteile für die Kunden und für Unternehmen mit sich. Mit dem Wissen über den Brauprozess können beispielsweise kleinere Brauereien wie die Deschutes Brewerey ihr Geschäftsmodell kontinuierlich erweitern: Neue Geschmacksrichtungen lassen sich schneller entwickeln und entsprechend vermarkten. Die Kunst besteht heute darin, geeignete Datenquellen zu finden oder zu schließen, um einerseits Daten zu sammeln und andererseits aus diesen Datenmengen konkretes Wissen zu ziehen. Die Digitalisierung schafft damit etwas, das besonders hierzulande als heilig gilt: Die Verbesserung des Reinheitsgebotes.

Wenn wir das aber anders denken wollen, zitiere ich gerne Antje Neubauer, die sagt: „Wir haben als Unternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir ernst nehmen, indem wir Haltung zeigen und auf Werte verweisen, die in unserer Demokratie selbstverständlich sein sollten.“ Big Data hat Vorteile, aber die Verantwortung über die Daten und damit verbunden die Werte die ein Unternehmen hat, ist immer ethisch zu durchdenken.